Follower

Dienstag, 25. August 2015

Derealisations- und Depersonalisationssyndrom

Wenn ihr mit dem Begriff nichts anfangen könnt, dann würde ich gerne mit euch tauschen! Es ist von all meinen Krankheiten die schlimmste und die, die die wenigsten Menschen verstehen. Selbst Menschen, dessen Fachgebiet im Bereich Psychologie oder Psychiatrie liegen, können  oft nichts damit anfangen. Wenn man Glück hat, hat jemand schon mal darüber gelesen oder irgendwann mal was davon gehört.

Beschreibungen wie, "ich fühle mich wie hinter einer Glaswand" oder "ich fühle mich wie in einem Traum" oder "ich erkenne mich selbst im Spiegel nicht mehr" oder "es ist alles unecht oder unwirklich" oder "ist das noch die Realität?", beschreiben dieses Erleben nur grob. Doch leider gibt es keine Worte, die den Zustand wirklich beschreiben könnten.

Es ist das gruseligste, das ich jemals erlebt habe.

Wie im vorangegangenen Post schon erwähnt, fing alles mit Panikattacken an. Als ich eines morgens dann nicht mehr ich war und meine Wohnung nicht mehr wiedererkannte, bin ich ausgeflippt. Ich denke, das kann man verstehen. Mein Freund dachte ich übertreibe und nahm es erst auf die leichte Schulter. Doch nach und nach begriff er, dass die Lage wirklich ernst war. Ich verbrachte Monate nur in der Wohnung, genauer gesagt, im Schlafzimmer.Ich konnte nicht in den Spiegel schauen. Meine Gedanken kreisten ständig, aber ich konnte keinen Gedanken fassen. Ich sah manchmal Muster an den Wänden.  Ich konnte kaum essen und erst recht nicht schlafen. Ich lag jede Nacht mit meinem Laptop wach und sah mir etwas an oder las etwas, um mich abzulenken. Ich stieß auf ein Angstforum, in dem ich tatsächlich ein paar Menschen fand, die das gleiche Leiden hatten. Und ich stieß auf die Begriffe Derealisation und Depersonalisation.

Nachdem ich alles nicht mehr ertrug, rief ich in der Psychiatrie an und bekam einen Termin für den nächsten Tag. Ich war mir sicher, mir würde gleich gesagt werden, ich sei total verrückt und müsste weggesperrt werden.

Zu meiner Überraschung kam alles anders. Die Psychiaterin war nett und konnte meinen Zustand auch gleich einordnen und bestätigte mir, dass es sich um das Derealisations- und Depersonalisationssyndrom handelte. Mir wurde Citalopram verschrieben. Ein Antidepressivum! Wer hätte gedacht, dass ich so etwas mal nehmen müsste?! Es machte mir unglaublich Angst.

"Lesen Sie sich die Nebenwirkungen nicht durch, wenn Sie eh schon so ängstlich sind", war der Rat der Psychiaterin. Da hätte ich wohl drauf hören sollen. Denn die Nebenwirkungen klangen nicht schön.

Doch ich wusste, dass es kein Drumrum gab. Daher packte mein Freund mich ins Auto und fuhr mit mir in eine andere Stadt, um mich abzulenken, nachdem ich die erste Tablette genommen hatte. Die Idee war gut, denn ich war wirklich kurz abgelenkt, doch leider bekam ich mitten in der Stadt eine riesige Panikattacke und wir mussten wieder heimfahren.

Die nächsten Tage mit dem Medikament waren schrecklich. Einen Tag später lag ich im Bett und weinte. Mein Freund fragte mich, was denn los war. "Ich kenne dich nicht mehr, ich weiß nicht, wer du bist!". Er rief in der Psychiatrie an, um nachzufragen. Sie meinten, solange ich neutral sagen kann, wer er ist, wie es heißt, wo er wohnt, dann ist alles "in Ordnung".

Doch irgendwann wirkten die Tabletten. Die Tabletten waren meine Rettung. Mein Gedankenkarusell war weg. Ich konnte schlafen und essen. Nach und nach verschwanden die Symptome. Zwar nicht ganz, aber weitesgehend. Auch heute kommt es noch vor, dass ich dort wieder hineinrutsche. Aber ohne die Medikamente hätte ich es nicht raus geschafft.

Ich finde nicht, dass man generell bei psychischen Krankheiten immer Medikamente nehmen soll, aber es gibt Fälle, da ist es notwendig. Also, wenn es euch wirklich schlecht geht oder ihr suizidal seid oder sonst etwas...zögert nicht, Psychopharmaka zu nehmen! Bei vielen dauert es lange, bis man das richtige Medikament gefunden hat, aber irgendwann hat man es. Die modernen Psychopharmaka sind wirklich gut und verträglich.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen